Bericht im Waffenmagazin „Visier“ Juli 2005 von Matthias Recktenwald
Wenn der VISIER-Chefredakteur erst hoch steigt und dann tief fällt...
... dann deswegen, weil er in Israel an einem ganz besonderen Fallschirmspringer-Meeting teilgenommen hat.
Und dieses Ereignis hieß "Freedom Jump" und fand vom 26. Mai bis zum 2. Juni in Israel statt. Der Begriff heißt ins Deutsche übersetzt soviel wie "Sprung in die Freiheit" und sollte an den 60. Jahrestag zur Befreiung Europas von der Nazi-Herrschaft erinnern. Dazu eingeladen hatte die IDF Airborne Brigade und das Büro des Premierministers (IDF = IsraelDefence Force, also die israelische Armee). Jedoch handelte es sich dabei nicht um das erste Treffen dieser Art. Schon seit 30 Jahren treffen sich Fallschirmspringer-Veteranen aus aller Herren Länder, um in Israel gemeinschaftlich zu springen - nicht ganz im offiziellen Rahmen, aber immer zu besonderen Anlässen. Der Freedom Jump aber fand in den israelischen Medien weit mehr Nachhall als die vorangegangenen Para-Treffen.
Insgesamt, so der für die Online-Ausgabe der "Jerusulem Post" tätige Journalist Arieh O'Sullivan - der sprang übrigens auch mit - beteiligten sich 240 Paratroopers an dem "Peace Jump", davon 49 aus zehn Ländern (u.a. USA, Großbritannien, Südafrika, Frankreich, Italien, Portugal), ausländische Militär-Attachés und Reservisten. Und das war keineswegs eine Angelegenheit der Jugend. Der älteste Teilnehmer war der ehemalige US-Oberst Butch Brydon, der einst bei der Marineinfanterie seines Landes gedient, im Zweiten Weltkrieg im Pazifik gegen die Japaner gekämpft hatte und der nun seinen 65. Sprung mit der IDF absolvierte - mit 83 Jahren.
Auch der Generalsstabschef der IDF, Moshe Ya'alon, sprang mit - wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst: "Das ist mein Finale", sagte der Mann mit der großen Brille, der in seiner über 35jährigen Militärkarriere auch Jets geflogen und Panzer gefahren hat, "hier habe ich angefangen, und hier höre ich auf." Sprach's und sprang aus der C-130, direkt gefolgt von seinem Leibwächter.
Auch andere hohe Politiker beteiligten sich an dem Sprung, etwa Yitzhak Mordechai, ein ehemaliger Verteidigungsminister, sowie viele weiter hochrangige Offiziere der IDF. Und Premierminister Ariel Sharon - immerhin einst der Kommandeur der ersten IDF-Fallschirmjäger-Brigade - wurde vertreten durch seinen Medienberater, den Oberst der Reserve Ra'anan Gissin.
Und der hatte seine eigene Meinung zu der Bedeutung des Freedom Jump: "Dieser Sprung ist eine Kompensation für das überwältigende Gefühl, einst das Opfer gewesen zu sein. Wenn wir des Zweiten Weltkriegs gedachten, war es immer als 'der Holocaust, das Opfer'. Wir wollten deutlich machen, dass über 1,5 Millionen Juden als Soldaten im Krieg gekämpft haben." Und Gissin verwies auch auf die 33 "parachutists" aus dem damaligen Palästina, die hinter den feindlichen Linien absprangen, um gegen die Nazis zu kämpfen. Die meisten davon wurden gefangen und von den Nazis getötet. Gissin: "Es ist dies die Gelegenheit, die Sichtweise zu korrigieren und den Blick auf Akte von Tapferkeit und nicht immer nur auf Akte der Ausrottung zu lenken. Und dies ist nicht nur ein Fallschirm-Sprung. Dies ist ein Ausdruck der Solidarität mit Israel."
Auch ein deutsches Kontingent war vor Ort: Teilnehmer um Oberleutnant der Reserve Jürgen Zieringer und Stabsunteroffizier des Reserve Stefan Eicker, in Israel in Empfang genommen von VISIER-Chefredakteur David Th. Schiller, der sich seit Jahren der deutsch-jüdischen Zusammenarbeit verschrieben hat und selber in der Uniform eines britischen Paras aus dem Zweiten Weltkrieg sprang. Die deutschen Teilnehmer des Freedom Jump wussten genau, dass es da um mehr ging als Fallschirmspringen und dass sie sich als deutsche Gruppe in besonderer Verantwortung sahen.
Die deutschen Reservisten sahen sich vielen Anfragen seitens der israelischen Presse gegenüber, fanden sich auf der Titelseite der "Jerusalem Post" und mussten permanent auch heikle politische Fragen beantworten.
Und wie ein Vorfall bewies, traf dabei der deutsche Delegationsleiter Stefan Eicker bei einem Galadiner in der Springerschule den richtigen Ton, indem er in klaren Worten eindeutig zur Bedeutung des Kriegsendes vor 60 Jahren Stellung bezog. Die Zuhörer - darunter der stellvertretende israelische Tourismusminister - reagierten mit einer "standing ovation"; der Leiter der Fallschirmspringerschule überreichte Eicker zu Anerkennung gar sein Barett.
Zudem erhielt die deutsche Gruppe außer dem eigentlichen Sprungdienst seitens der IDF-Luftlandeschule auch Einblicke in die Ausbildung, Durchführung und Ausrüstung der verschiedenen Aufgaben der israelischen Fallschirmjäger. Und darüberhinaus kam auch der kulturelle Teil nicht zu kurz. Wie Jürgen Zieringer (OLt. d. Res.) es zusammenfasste: "Abschließend waren sich alle einig: Dies war wohl mit Abstand eine der besten Veranstaltungen, die ich je besucht habe."
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